Der Titel mag für den ein oder anderen zunächst erstmal etwas verwirrend klingen. Aber es ist genau das, worum es hier geht. Es gibt hier sowohl eine Lösung für das Problem der nicht-deaktivierbaren Vorkasse-Option im GambioPay-Modul von Gambio GX3, als auch Einblicke in das Finanzunternehmen das für Gambio die Abwicklung der Transaktionen über GambioPay übernimmt, die Wirecard AG.
Wer sich für die Hintergründe nicht interessiert, selbst einen Gambio-Shop hat und die Vorkasse bei GambioPay deaktivieren möchte, kommt hier direkt zur Lösung.
Was ist passiert?
Seit Mitte 2017 bietet die Gambio GmbH für ihr Shop-System Gambio GX3 eine Schnittstelle namens GambioPay an. Shopbetreiber, die Gambio für ihren Internetshop einsetzen, können darüber ihren Kunden diverse Zahlungsmethoden anbieten. Von der Gambio-Webseite: „Fünf Online-Bezahlmethoden aus einer Hand: Kreditkarte, Rechnungskauf, SEPA-Lastschrift, SOFORT Überweisung und Vorkasse“. Die Nutzung von GambioPay kostet dabei keine monatlichen Grundgebühren und es fallen nur vergleichsweise geringe Gebühren von 0,35€ + 1,39% für eingehende Zahlungen an. Zum Vergleich: Bei Paypal sind es 0,35€ + 1,90%, wenn man sich als Händler direkt bei Klarna anmeldet, fallen für die Einrichtung des Kontos für SOFORT-Überweisungen erstmal saftige 59,90€ und jeden Monat Grundgebühren an, egal ob Kunden die Option SOFORT-Überweisung nutzen, oder nicht. Für kleine Händler und solche wie mich, die viel mit Vereinen und Verbänden arbeiten, die Überweisungen und Rechnung bevorzugen, nicht wirklich interessant.
Also habe ich mich auch vor einiger Zeit bei GambioPay angemeldet. Das Modul für Gambio GX3 fügt dem Checkout dann gleich mehrere Zahlungsmöglichkeiten hinzu. Während man Zahlung auf Rechnung und SEPA-Lastschrift deaktivieren kann, sind Kreditkarte, SOFORT und Vorkasse standardmäßig aktiviert. Vorkasse bedeutet in diesem Zusammenhang, der Kunde bekommt Kontodaten von Wirecard und überweist dann auf dieses Konto statt auf meines. Ich bekomme dann das Geld 14 Tage später, abzüglich der Gebühren, von Wirecard überwiesen. Klingt scheiße? Ja, natürlich ist es das. Es ist eine klassische Mischkalkulation. Gambio kann seinen Kunden über eine einfache Schnittstelle gleich eine ganze Hand voll Zahlungsmethoden anbieten. Die wirklich bemerkenswert günstigen Konditionen für Kreditkartenzahlungen (bei mollie habe ich früher bei ausländischen Kreditkarten 0,25€ + 2,8 % bezahlt!) werden durch das fast schon unverschämte Aufzwingen der Vorkasse-Option querfinanziert. Das Support-Forum von Gambio ist voll von Nutzern, die sich über diese Bevormundung heftig aufregen, während die Gambio-Mitarbeiter versuchen, das ganze ein wenig zu relativieren. Ihr bestes Argument: Wenn die Vorkasse-Zahlung bei Wirecard eingeht, wird der Status im Shop automatisch auf „bezahlt“ gesetzt. Das muss man nicht mehr selbst machen. Für Leute wie mich, bei denen bei Geldeingang das Handy vibriert und nicht 500 Zahlungen am Tag reinkommen, natürlich lachhaft. Aber gut, ich würde an Stelle von Gambio auch irgendwie versuchen, das ganze zu verkaufen.
Um es mal klipp und klar zu sagen: Ich finde das Angebot für GambioPay echt in Ordnung. Die Konditionen sind gerade für kleine Shops okay, und das ist, soweit ich das einschätzen kann, die Haupt-Kundengruppe von Gambio. Mollie war bei SOFORT günstiger, bei Kreditkarten teurer. Das Angebot war größer, aber es gibt halt kein mollie-Plugin für Gambio. Und zu woocommerce bringen mich keine zehn Pferde mehr zurück. Also ist GambioPay für mich aktuell die beste Möglichkeit, SOFORT-Überweisungen anzubieten.
Hat man nun GambioPay aktiviert, bekommt man also mindestens drei zusätzliche Zahlungsmethoden. Man kann den Kunden nun maximal verwirren, wenn man das Originalmodul „Vorkasse“ im Checkout behält, dann hat der Kunde zwei zur Auswahl. Ich fand das oben beschriebene Verfahren schon ziemlich doof, wenn ich auch die Gründe verstehe, und wollte mal sehen, wie groß mein Gestaltungsspeilraum ist. Ich wollte den Kunden mit einem Rabatt dazu bekommen, „meine Vorkasse“ statt der von GambioPay zu wählen. Leider sitzt Gambio am längeren Hebel. Das GambioPay-Modul setzt sich offenbar über die Sortierreihenfolge hinweg, auch mit einer Reihenfolge von „-9999“ und solchen Späßen tauchte das eigene Vorkasse-Modul immer unter dem GambioPay-Mobul auf. Als ob dem nicht genug wäre, kann man den Text nicht ändern, der in dem Modul angezeigt wird. Bei Gambio gibt es im Backend extra einen Punkt, über den man die Texte von jedem noch so unbedeutenen Button und Menüpunkt überall auf der Seite ändern kann, mehrsprachig. Bei GambioPay hat man dafür gesorgt, dass ich als Betreiber auf die Texte keinen Zugriff habe. Vermutlich war den Leuten bei der Gambio GmbH schon klar, das einige Shop-Betreiber dann „böse Vorkasse“ und „gute Vorkasse“ draus machen würden. Oder so.
So sah dann also der Checkout aus:
Bei einigen Kunden hat das auch funktioniert, den zweiten Button haben doch einige gefunden. Aber natürlich kam es, wie es kommen musste, ein Kunde wählt die erste Vorkassen-Option bei der Bestellung aus. „Naja, der geht an euch, ich werds verkraften.“, dachte ich mir damals. Doch weit gefehlt. Das Problem, dass dann auf mich zukam war nicht, dass ich ein paar Gebühren zahlen musste. Das Problem war, dass das Geld weg war.
Die Kurzfassung ist die: Der Kunde überweist, und die Zahlung verschwindet im Nirvana. Keine Statusänderung, kein Geld, das mir überwiesen wird. Erstmal warte ich geduldig ab, manche Kunden brauchen eine Weile, bis sie überweisen. Gerade bei Vereinen muss das erstmal an den Kassenwart weitergeleitet werden, der auch nicht hauptberuflich die Kasse verwaltet. Dass da schonmal ein paar Tage oder eine Woche vergehen, kommt hin und wieder vor. In diesem Fall meldete sich allerdings der Kunde nach einer Woche und fragte höflich nach, wann er eigentlich mit seiner Lieferung rechnen kann. Das ist schonmal richtig peinlich.
Also, Kontakt zu Wirecard aufnehmen.
Bei Wirecard gibt es für Shop-Betreiber die Hotline des CheckoutPortal, bei dem von Anrufbeantwortern kaum zu unterscheidene Menschen sitzen, die einen der folgenden Sätze sagen:
„Da kann ich nichts zu sagen. Ich werde das an die Fachabteilung weitergeben.“
„Das tut mir leid, da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Ich werde das nochmal mit Hinweis auf die Dringlichkeit an die Fachabteilung weitergegeben.“
oder
„Die Fachabteilung arbeitet bereits mit höchster Priorität an der Sache.“
Spätestens beim letzten Satz wird mir klar, dass Wirecard eines dieser super modernen, schlanken Unternehmen wie Amazon, Google und Konsorten ist. Die Mitarbeiterzahl ist so weit nach unten optimiert, dass einfachste organisatorische Abläufe zur Unmöglichkeit werden. Beispielsweise, wenn Google denkt, man wäre tot, und man versucht diesem Unternehmen das Gegenteil zu beweisen. Ich meine, es geht hier um eine einzige Überweisung. Absender und Empfänger sind bekannt, genauso wie Betreff und Zeitpunkt, an dem die Überweisung getätigt wurde. Was für eine „Fachabteilung“ wird man wohl benötigen, um eine solche Überweisung ausfindig zu machen, und einen Kunden, der stinksauer ist und dreimal die Woche anruft, einfach „von der Backe“ zu haben? Man darf nicht vergessen, dass Wirecard im weitesten Sinne ein „Technologieunternehmen“ ist. Die Überweisung hätte der Historiker in den Trümmern des Kölner Stadtarchivs in Zwischenzeit gefunden. Aber bei einem so modernen „Unternehmen“ wie Wirecard, ist es nicht möglich, auch nicht mit „höchster“ Priorität.
Die Erfahrungen von anderen im entsprechenden Thread im Gambio Support-Forum stützen meine Erkenntnis, dass es nicht nur mir so ging. Und das schon mindestens seit Herbst letzten Jahres.
Nach sieben Tagen habe ich mich also zum ersten mal gemeldet. Schnell war klar, dass bei Wirecard eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Ich kann aber mein Problem nicht zum Problem des Kunden machen, also Sendung raus, ich werde schon irgendwie an mein Geld kommen.
Als die Zahlung 22 Tage lang nicht „gefunden“ werden konnte, habe ich Gambio in die Emails aufgenommen. Sie vermarkten GambioPay, und sollten sich dafür interessieren, dass bei Wirecard einfach so Vorkasse-Zahlungen nicht mehr aufzufinden sind. Es hat dort offensichtlich niemanden interessiert.
Ich habe natürlich unzählige Anrufe getätigt, unzählige Emails geschickt. Das braucht man in so einem Fall im Grunde gar nicht mehr erwähnen. Ich habe versucht, irgendjemand anderes als die Damen vom Support ans Telefon zu bekommen. Aber die modernen Firmen verschanzen sich heute so effizient, niemandem rutscht da mehr versehentlich eine Durchwahl raus, kein Chef der sich der Sache persönlich annimmt, keine unbürokratische Lösung des Problems mehr. Die Maschinen haben übernommen, und sie machen einen Scheißjob.
Nachdem 30 Tage kein Zahlungseingang von Wirecard gemeldet wurde, überlege ich mir meine Alternativen. Eigentlich müsste man ja ein Mahnverfahren einleiten. Ich weiß aber nicht einmal mit letzter Konsequenz, ob der Kunde überwiesen hat. Es besteht auch die winzige Chance, dass ich einem ausgefeilten Betrug aufgesessen bin. So einen PDF-Ausdruck der Überweisung kann man doch recht easy mit Illustrator fälschen. Ich könnte das. Ich glaube, Leute die selbst regelmäßig mit Photoshop und Co. arbeiten müssen zwangsläufig Paranoid werden.
Am 5. April bekomme ich kommentarlos eine Abrechnung von Wirecard, in der die Zahlung auftaucht. 37 Tage, nachdem der Kunde überwiesen hat, einen Monat, nachdem die Lieferung das Haus verlassen hat. Sowohl im Gambio Backend, als auch im Wirecard „Enterprise Portal“, das aussieht wie von der Informatik-AG der neunten Klasse der Erich-Kästner-Gesamtschule im Jahr 2007 programmiert, hat sich der Status der Zahlung nicht geändert. Zahlung offen.
Natürlich gab es bis heute keine Erklärung dafür, was da passiert ist. Die Systeme von Wirecard haben versagt, aber es gibt natürlich niemand, der sich dafür entschuldigen würde. Die Liquidität von kleinen Unternehmen hängt im Zweifel am Wohlwollen von den ganz Großen ab. Wenn das gleiche in einem Shop passiert, der sich komplett auf Wirecard verlässt, kann daran ein Unternehmen pleite gehen. Ein ähnliches Problem ergibt sich übrigens auch beim Verkaufen auf dem Amazon Marketplace oder bei Diensten wie Paypal. Aber dazu muss ich mal einen getrennten Artikel schreiben.
Für mich war das auf jeden Fall der erste und letzte Versuch mit Wirecard-Vorkasse. Würde ich so arbeiten, wäre mein Unternehmen schon vom Markt. Aber das gilt ja eigentlich fast immer bei „den Großen“.
Vorkasse-Option deaktivieren
Mir wurde schlagartig klar, dass ich mich eigentlich sofort wieder von GambioPay lösen muss. Bei der nächsten Zahlung kann es um ein paar Tausend Euro und nicht nur um ein paar Hundert gehen. Beim nächsten mal, „klärt“ sich das Problem vielleicht nicht nach 37 Tagen, sondern erst vor Gericht. Und das bei einer der einfachsten und für den Händler risikoärmsten Zahlungsmethoden, Vorkasse. Es ist absurd.
Weil eingehende Kreditkarten- und SOFORT-Zahlungen bislang problemlos waren, und weil ich mich genau dafür angemeldet hatte, entscheide ich mich GambioPay noch eine Chance zu geben. Die Wirecard-Vorkasse muss aber raus. Wie gesagt, gibt es dazu keine Option im Backend, aus bereits erwähnten Gründen. Es ist dennoch recht einfach zu machen, nämlich in dem man das entsprechende Element einfach per css ausblendet.
Die Zahlungsarten im Checkout sind einfach eine <ul>
, also eine ungeordnete Liste. Die 5 Zahlungsmethoden sind gut zu unterscheiden, weil im Klassennamen klar bezeichnet. Unser zweiter Eintrag in der Liste (also Zeile 4) ist die Vorkasse:
<p class="space-1">Bitte wählen Sie die gewünschte Zahlungsweise aus.</p> <ul class="list-group" data-gambio-widget="radio_selection" data-radio_selection-init="true"> <li class="list-group-item paypal3">…</li> <li class="list-group-item gambio_hub-WirecardWiretransferHub">…</li> <li class="list-group-item gambio_hub-WirecardCreditcardHub">…</li> <li class="list-group-item gambio_hub-WirecardSofortbankingHub">…</li> <li class="list-group-item moneyorder">…</li> </ul>
Im Shop-Verzeichnis unter /templates/Honeygrid/usermod/css/
kann zusätzliches CSS für den Shop abgelegt werden, dass auch nach einem Update noch da ist. Ich habe dort eine Datei usermods.css
, in der ich Änderungen am Shop vorgenommen habe. In diese Datei muss ich einfach folgenden Code hinzufügen:
li.list-group-item.gambio_hub-WirecardWiretransferHub { display: none; }
Et voilà, die Option ist weg! Der Kunde sieht nur noch einmal Vorkasse, nämlich meine.
Es mag sein, dass das gegen die AGBs von GambioPay verstößt. Habe ich ehrlich gesagt nicht nachgeschaut, ist mir aber auch egal. Die GambioPay-Vorkasse kommt nicht mehr zurück in meinen Shop, so oder so. Ich mache ne Menge mit, als kleiner Online-Player muss ich eh schon ständig die Zähne zusammenbeissen. Wenn man mir ohne Erklärung und ohne Entschuldigung 5 Wochen mein Geld vorenthält, hat die Gegenseite das gegenseitige Vertrauen einseitig gekündigt. Das ist in diesem Fall ausnahmsweise nicht mein Problem.
Ich hoffe dieser Artikel hilft dem ein oder anderen Leidgenossen. Ich freue mich wie immer über Feedback in den Kommentaren.
Danke für deinen Bericht und den Hinweis auf das CSS. Habe heute genau an der Stelle gestanden.
Eine Frage: Was stresste dich denn bei Woocommerce?
Gerne!
An Woocommerce stresste mich einfach alles. Das System in der Grundkonfiguration kann so gut wie nichts und ist zudem nicht mit deutschem Recht vereinbar. Man muss es ungefähr mit 10 Plugins aufmöbeln, bis es sowas ähnliches wie ein nutzbares Shop-System wird. Kommt ein WordPress- oder Woocommerve-Update, tuts das Rechnungs-Plugin nicht, weil nicht kompatibel und noch nicht geupdated. Order das Gutschein-Plugin, oder das Lagerhaltungs-Plugin, oder das Versand-Plugin. Auf einmal kannst du keine PDF-Rechnungen mehr erzeugen… in einem Shop-System! Wer seine Lebensgrundlage auf so etwas aufbaut, muss man am Wochenende wohl nicht mehr Bungee springen gehen.