Diesen Beitrag hatte ich schon am 09.03.2008 auf meiner alten Website veröffentlicht, durch das Abschalten war er aber seit Anfang 2009 nicht mehr online. An der gesamten Situation hat sich in den vergangenen Jahren eigentlich nicht viel verändert, das Thema bekam in der letzten Zeit durch die Diskussion um Klimawandel und Energieversorgung eher noch mehr Brisanz. Den originalen Artikel habe ich nun überarbeitet und an die aktuelle Situation angepasst.
Es geht sich um den Braunkohletagebau Garzweiler bzw. Garzweiler II. Nachdem das namesgebende Dorf Garzweiler Ende der 80er umgesiedelt und wenige Jahre später ausradiert war, wurde es ziemlich ruhig um den Tagebau. Erstmal hatten die Bagger nun Quadratkilometer Ackerland vor der Nase und die Menschen waren wohl froh sich mal eine Zeit lang nicht mit dieser Zerstörung von menschlichem Lebensraum beschäftigen zu müssen. Das hat sich aber vor ein paar Jahren geändert, als die Bagger immer näher an die A44 und das Dorf dahinter, Otzenrath, rückten. Und es wird wohl auch mindestens 30 Jahre lang nicht mehr so ruhig werden, denn die Ortschaften folgen jetzt eine auf die Nächste. Otzenrath ist mittlerweile verschwunden, da wo das Dorf war klafft das riesige Loch vom Tagebau. Die Dörfer Holz und Spenrath existieren ebenfalls nicht mehr und das was die Dörfer mitgemacht haben steht nun den nächsten an: Borschemich, Immerath, Pesch, Lützerath und vielen mehr. Mehr als 7000 Menschen werden am Ende vertrieben worden sein. Für eine Technologie, die so ziemlich genau das Gegenteil von zukunftsorientiert und sinnvoll ist.
Da Otzenrath in meiner Heimatgemeinde Jüchen lag fühle ich mich mit diesen Menschen sehr verbunden. Otzenrath ist das erste Dorf, dessen Untergang durch den Tagebau Garzweiler II ich bewusst miterlebt habe. Vor Jahren noch bin ich dort ab und zu mit dem Rad durchgefahren, durch ein belebtes Dorf indem nur an allen möglichen Punkten die „Ja zur Heimat – Stoppt Rheinbraun!“-Schilder auf das nahe Ende hinwiesen. Aber dieses Ende war so abstrakt, ich habe mir da nie wirklich Gedanken drüber gemacht. Doch dann standen auf einmal die Häuser leer, wurden abgerissen und es wurde mehr und mehr zur Geisterstadt. 2006 war Otzenrath dann schließlich menschenleer und hatte sich seinem Schicksal ergeben. Ich bin dann eine ganze Zeit lang nicht mehr dort gewesen, weil ich den Anblick kaum ertragen konnte. Im Februar (2008) war ich doch noch einmal dort und mir standen die Tränen in den Augen. Es ist dort einfach nichts mehr. Das Dorf ist vollständig dem Boden gleich gemacht. Kein Haus, kein Baum, kein Straßenschild steht mehr. Ich kucke die Straße lang und weiß noch welche Farbe die Klinker der Häuser hatten, weiß noch wie die Metzgerei an der Ecke aussah und die Kirche in der Mitte des Dorfes herausragte. Und jetzt ist dort einfach nur noch platte Erde unterbrochen durch Schutthaufen und Stapel von gefälltem Holz. Das ist schon überwältigend.
Gibt es kein Umdenken in der Energiepolitik ist es wohl nur eine Frage der Zeit bis Energie so teuer geworden ist, dass sich auch der Abbau tiefliegender Braunkohle oder der Kohle unter dichter besiedelten Gebieten lohnt. Das gewinnbare Vorkommen von Braunkohle im Rheinland ist gigantisch und liegt wohl immer noch bei 30 Milliarden Tonnen. Davon werden im Zuge von Garzweiler II „nur“ 1,3 Milliarden Tonnen abgebaut. Und dann? Der schlimmste Fall wäre eine Verlängerung, quasi „Garzweiler III“. Wenn wir im Jahr 2040 immer noch nicht schlauer sind und der Irrsinn nicht aufhört würde ich mal annehmen das wir den Absprung überhaupt nicht mehr schaffen.
Zur Zeit ist die A46 wie eine Art Lebensversicherung für Jüchen. Vor wenigen Jahren noch unvorstellbar, wäre die Autobahn jetzt nach der A44 und der A46 und bald vielleicht auch noch der A4 bei Hambach nur eine von vielen Autobahnen die für mehrstellige Millionenbeträge verlegt werden um den exzessiven Raubbau an unserer Heimat beitreiben zu können. Im Beispiel Hambach sind dafür 138 Millionen Euro (Anmerkung: Mittlerweile 153 Millionen Euro [1]) geplant. Wenn man sieht, das so viel Geld in die Hand genommen wird nur um eine Straße zu verlegen, dann mag ich mir nicht ausmalen welche gigantischen Summen in 30 Jahren in die Hand genommen werden, wenn Garzweiler II geplündert ist und in Grevenbroich Braunkohlekraftwerke mit der Gesamtleistung von über 10 GW[2] stehen (Das sind 10 Milliarden Watt). Ich sehe auf Grund dessen für Jüchen und Erkelenz, vielleicht sogar Grevenbroich in Zukunft ziemlich dunkelgrau, falls nicht endlich mal erkannt wird, dass die Braunkohle eine noch größere Sauerei als jedes Atomkraftwerk ist. Und es ist auch so: Seit bestehen der Bundesrepulik Deutschland hat sich noch nie ein Dorf gegen seine Zerstörung wehren können. Wenn RWE will, dann kann RWE auch.
Hier mal ein kurzer Abstecher zu den rechtlichen Grundlagen: Die RWE Power AG baut im rheinischen Braunkohlerevier auf Grundlage des Bundesbergrecht von 1982 die Braunkohle ab. Dieses Bergrecht fasst im Prinzip einfach nur mehrere alte Bergrechte zusammen, unter anderem auch die „Verordnung über die Aufsuchung und Gewinnung mineralischer Bodenschätze“, die von dem als Natur- und Menschenfreund bekannten Herrn Adolf Hitler 1934 beschlossen wurde[3]. Ich bitte an dieser Stelle meinen Zynismus zu entschuldigen, aber das im Jahre 2010 noch Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden, auf Grundlage eines Gesetzes, dass von den Nationalsozialisten ersonnen wurde, ist einfach nur unfassbar.
Nicht umsonst sagt man wohl „Bergrecht vor Grundrecht“ und aus diesem Grund muss das Bergrecht auch dringend reformiert werden. Der Grünen-Bundestagabgeordnete Peter Hettlich hat im Januar 2008 erneut den Vorschlag eingebraucht, das Bergrecht zu kippen. Ich zitiere: „Das Bundesberggesetz stammt noch aus der NS-Zeit und dient hauptsächlich dazu, die Einspruchmöglichkeiten der Bürger zu erschweren. Das Bergrecht kennt weder Rücksichtnahmen auf das Eigentum der Bürger noch den Umweltschutz.“[4 und 5 – Ab Seite 7]
Das abbauende Bergbauunternehmen muss lediglich den Nutzen für das Allgemeinwohl eines solchen Abbaus darlegen, aber dieser ist mit der Stromgewinnung und der damit verbunden Sicherung der Lebensqualität natürlich gegeben. Und sollte es sich lohnen, unter Mönchengladbach nach Braunkohle zu graben, dann werden auch 260.000 Menschen umgesiedelt. Wie sowas geht, das zeigen uns dann die Chinesen, denn von denen können wir Deutsche im Hinblick auf Missachtung von Menschenrechten und großzügier Umweltzerstörung noch eine Menge lernen. Das hätte sich Adolf Hitler sicher nicht vorstellen können, das sein Gesetz derart erfolgreich würde. Vielleicht übersteht es ja tausend Jahre? Das wär doch mal was.
Versteht mich nicht falsch, ich bin kein naiver Öko-Aktivist, der einfach auf die Straße geht um einfach gegen irgendwas zu sein. Ich weiß das Braunkohle für unsere Stromversorgung und die Erhaltung der Lebensqualität noch benötigt wird. Ich weiß, dass sie ein zur Zeit noch unverzichtbarer Bestandteil unseres Energiemixes ist, und ich will auch gar nicht für eine sofortige Einstellung derselben plädieren. Ich habe mich auch schon zu viel mit dem Thema Wasserstoff als Energieträger, Brennstoffzellen und Solarstrom beschäftigt als hier behaupten zu wollen, es gäbe schon vollständigen Ersatz für fossile Energieträger. Aber wir sollten uns mal überlegen, ob wir das mit den erneuerbaren Energien ersnt meinen oder doch lieber noch 50 Jahre mit Kohle und Co rumhampeln, bis es zu spät ist.
Ich vermisse in der Politik leider oft den Willen sich mal ernsthaft mit Alternativen zu beschäftigen. Es wird gerne was von erneuerbaren Energien geschwafelt, wenn es gerade Wählerstimmen bringt, eine ehrlich Einstellung ist das in den meisten Fällen wohl nicht. Überhaupt liegt mir der Fokus viel zu oft auf der Atomkraft. Der Atomausstieg war beschlossene Sache, bei Schwarz-Gelb will man die KKW schon wieder länger laufen lassen. Allein diese völlig überflüssige Diskussion verhindert schon wieder jegliche Beschäftigung mit der Kohle, die still und heimlich die größten Umweltsauereien zu verantworten hat. Den Atomausstieg können sich die Damen und Herren eh an den Hut stecken, wenn dafür fröhlich Braun- und Steinkohlekraftwerke gebaut werden, teilweise sogar über das Gesetz hinweg, gerade in Datteln zu beobachten[6 und 7].
Aber die ganze Diskussion über neue Kohlekraftwerke beziehungsweise Laufzeitverlängerungen von KKW scheint ohnehin das Ziel zu verfehlen, weil wir überhaupt keine neuen Kraftwerke mehr brauchen, sollten wir tatsächlich mal komplett auf erneuerbare Energien umsteigen. Am 05. Mai hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen eine 90 Seitige Stellungnahme veröffentlicht[8], die eine Aussicht auf eine Sonderstudie gibt, die im Herbst 2010 veröffentlicht werden soll. Die Studie zeigt wie wir in 40 Jahren, also im Jahr 2050 komplett ohne fossile Brennstoffe auskommen könnten. Die Autoren sehen unter anderem Offshore-Windparks als Zukunftsperspektive, von denen in Deutschland auch schon 10GW genehmigt bzw. in Bau sind und sich Anlagen mit weiteren 20GW in Genehmigungsverfahren befinden. Damit es Nachts und bei Windstille nicht zu einer Unterversorgung kommt müssten allerdings die Leitungskapazitäten in ganz Europa stark ausgebaut werden um über Druckluft- und Pumpspeicherkraftwerke Energieüber- und Unterversorgung europaweit auszugleichen. Zu Kern- und Kohlekraftwerken findet der Sachverständigenrat relativ klare Worte; allein durch den massiven Ausbau von eneuerbaren Energien und die dadurch bedingten starken Schwankungen im Leitungsnetz würden diese bislang zur Grundlastversorgung eingesetzten Kraftwerke unbrauchbar werden.
„Eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken, wie sie derzeit von verschiedenen Seiten als notwendige Option dargestellt wird (vgl. CDU et al. 2009), würde die oben dargestellten Probleme unnötig verschärfen, denn Atomkraftwerke verfügen nicht über die im zukünftigen Energiesystem notwendigen Flexibilitätseigenschaften. Auch der Bau neuer Kohlekraftwerke für den Grundlastbereich ist weder eine für das System hilfreiche Ergänzung, noch werden entsprechende Investitionen auf Dauer die erwarteten ökonomischen Ergebnisse für die Investoren erzielen, da die bei der Planung der Kraftwerke unterstellten Betriebsstunden nicht mehr erreicht werden können.“
Im Klartext: Durch viele Windräder und Photovoltaikanlagen verschwindet das, was heute als „Grundlast“ von diesen Kraftwerken getragen wird. Nötig sind dann riesige Speicherkapazitäten, was eigentlich nur machbar ist wenn man Europa tatsächlich als Einheit ansieht und sich nicht jedes Land autark versorgen will. Nötig ist aber eben auch der politische Wille dazu, und der Ausbau der Leitungskapazitäten müsste quasi gestern schon anfangen. Die Zusammensetzung des Bundestages kommt mir dazu gerade äußerst ungeeignet vor.
Für die Stellungsnahme des Sachverständigenrates gebe ich aber meine absolute Leseempfehlung und hoffe inständig auf einen entsprechenden politischen Diskurs wenn das Sondergutachen Ende des Jahres erscheint. Immerhin berät der Umweltrat auch die Bundesregierung, die diese Studie damit zur Kenntnis nehmen wird.
http://www.umweltrat.de/cae/servlet/contentblob/1001596/publicationFile/63831/2010_05_Stellung_15_erneuerbareStromversorgung.pdf – Komplette Stellungnahme des SRU (85 Seiten)
Auf Youtube habe ich ein schönes Video gefunden, dass im Rahmen eines Fotoreportagekurses an der FH Düsseldorf im Wintersemester 2008/2009 enstanden ist. Gezeigt werden Bilder der kleinen Ortschaft Holz, die es mittlerweile schon nicht mehr gibt. Ich will eigentlich nicht auf die Tränendrüse drücken, aber um zu begreifen was dort passiert sind Zahlen leider nicht gut geeignet. Diese Bilder stimmen nachdenklich und kommen in der täglichen Berichterstattung der Massenmedien quasi nicht vor:
Quellen:
[1] http://www.strassen.nrw.de/projekte/a4/a4n_dueren-kerpen.html
[2]http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/energie/FS_Braunkohle.pdf
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Bergrecht
[4]http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1707272&swbm=favorites
[5] http://www.bib-nr.de/download/presseberichte/2008/Pressebericht%202008%2001.pdf
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk_Datteln
[7] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/2612395_Traditionell-gut-verdrahtet.html
[8] http://www.umweltrat.de/cln_103/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/AktuellePressemitteilungen/2010/2010_02_PM_100_Prozent_erneuerbare_Stromversorgung_bis_2050.html?nn=395730 – Pressemitteilung zur Stellungnahme des SRU „100% erneuerbare Stromversorgung bis 2050: klimaverträglich, sicher, bezahlbar“
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